Am diesjährigen Zermatt Unplugged fanden 90 Konzerte und Aftershowparties statt. Viele der Bands und Musiker mir noch unbekannt. Was also hören gehen? Ich bin deshalb die ausführlichen Bandbeschreibungen auf der Festivalseite durchgegangen und dadurch auf Antiheld gestossen. Klang beim Reinhören gut. Ich mag die letzten Jahre deutschsprachigen Pop eh immer wie mehr. Bei denen würd ich vorbei gehen. Ja, und anders als ihr Name verrät, mauserte sich die Stuttgarter Band wohl ein wenig zu den Festivalhelden.
Grossandrang auf der Cervo Terrasse
Eine halbe Stunde vor Konzertstart war ich also spät dran. Es herrschte Grossandrang. Gerade knapp hab ich es noch auf die Terrasse des Hotel Cervos geschafft, bevor die Security-Frau meinte – fertig! Der Veranstaltungsort war total vollgepackt, sogar der Balkon war sehr voll.
Die Leute standen einander auf den Füssen und drängten sich um die Tische herum, an denen vornweg noch gegessen wurde. Man versuchte möglichst den sitzenden Zuschauern die Sicht nicht zu nehmen. Schön, aber etwas unpraktisch mit den ganzen Tischen. Die Band habe am Vortag nämlich ziemlich abgeräumt und waren nun an diesem Samstagnachmittag dadurch noch gefragter.
Die ersten paar Songs stand das ganze Publikum noch ziemlich zurückhaltend vor der Bühne. Viele sassen eben sogar. Man lauschte der Band, wippte mal etwas mit, als sie mit dem mitreissenden „Wenn die Welt brennt“ los legten. Darauf liessen sie sich das Einzählen auf Schweizerdeutsch beibringen, um mit ein „En Bisschen grosse Liebe“ weiterzumachen.
Strassenköterpop aus Stuttgart
Ihr Musikstil bezeichnet die Band auf ihrer Facebookseite selber als „Strassenköterpop“. Er klingt nach ganz viel Pop gemixt mit Rock und irgendwie Punk. Sogar folkige Klänge konnte ich ausmachen. Ihre Texte zeigten sich als sehr ehrlich und total direkt. Da hätten sie selber schon etwas Angst gehabt, dass etwa „Ficken für den Weltfrieden“ bei uns Schweizern nicht so richtig ankommen würde. Bereits am ersten Konzert hatten sie aber bemerkt, dass sie sich da getäuscht und ein falsches Bild unseres Lands gehabt hatten.
Antiheld sind Frontmann Luca Opifanti, André Zweifel, Tito Balboa, Arne Brien und Henry Kasper. Neben den üblichen Instrumenten wie Gitarren, Schlagzeug und Keyboard, standen sie mit Bassgeige und Akkordeon auf der Bühne. Die Band stammt aus Stuttgart und hat letztes Jahr ihr Debutalbum „Keine Legenden“ veröffentlicht. Am Freitag spielten sie ihr erstes Schweizer Konzert auf der Taste Village Bühne und wurden dort bereits so richtig gefeiert. Sobald Frontmann Luca auch die VIPs zum Aufstehen und Nachrutschen gebracht hatte – an Antiheld Konzerten sei das definitiv so üblich – war das am Hotel Cervo dann nicht anders.
Ob es 90er Kinder im Publikum habe? fragte Luca. Ich war so begeistert von ihrem Echt-Cover zu „Du trägst keine Liebe in dir“. Antiheld singen über ziellose Generationen, sprechen in „Präsidenten“ die aktuelle politische Weltsituation an und ganz direkt alles, was sie eben so beschäftigt und bewegt.
Sie wissen wie sie mit viel Witz und ihrem Charm, den mitreissenden Melodien und Texten das Publikum begeistern und Stimmung machen können. Sie verbreiteten damit gute Laune von Anfang bis zum Schluss. Nur, so total Punk, wie das vielleicht teils rüber käme, seien sie dann doch nicht, grinste Luca. Sie seien eigentlich nette Jungs.
Das zeigte sich vielleicht auch etwas darin, als sich einzelne im Publikum den Spass daraus machten, ihnen Schnäpse servieren zu lassen. „Jaja, die dummen Deutschen abfüllen…“ lachte der Frontmann und schüttelte sich, nachdem sie sich das Zeugs runtergeschüttet hatten. Er sei eher so der Schnapsabstinent und trinke lieber mal n Bier.
Worauf er die Geschichte zu „Sonnenkind“ erzählte und man doch fast etwas schlucken musste. „Sonnenkind“ ist ein Lied über Luca’s besten Freund, der nach zu viel Alkohol bei einem tragischen Unfall ertrunken war. Aber trotz der ganzen Tragik will Luca das Lied im positiven Sinne als Erinnerung an ihn auf die Bühnen bringen.
Hier kriegt ihr einen Einblick bei der Zermatt Unplugged Tageszusammenfassung vom Freitag:
Festivalheld
Das Publikum wollte die Band am Konzertende gar nicht mehr gehen lassen und tobte. Trotz, dass sie schon lange überzogen hatten, wiederholten sie den einen Song nochmals. Ganz gerührt beteuerten sie, dass sie solche Begeisterungstürme noch gar nie erlebt hätten, aber aus Respekt gegenüber der anderen Bands hier jetzt nicht ihre Privatparty schmeissen können.
Antiheld waren irgendwie der Festivalheld. Für mich auf jeden Fall DIE Neuentdeckung. Zum Glück ist die Band tatsächlich auch schon bald wieder zurück in der Schweiz: Am 2. Juni 2018 treten sie am Schaffhausner Hallau Openair auf. Ich schmeiss dann wohl mal meine ganzen 2. Juni-Pläne über den Haufen. Ganz besonders, weil auch noch The Souls am selben Tag dort sein werden 😉
Infos zur Band findet ihr hier: www.antiheldmusik.de
Infos zum kommenden Openair Hallau gibts hier: www.openair-hallau.ch
Infos zum Zermatt Unplugged findet ihr unter folgendem Link: www.zermatt-unplugged.ch