Er ist wieder da, der Meister der Loopstation und Alleinunterhaltung. Am Wochenende vom 16. & 17. September 2022 macht Ed Sheeran während seiner „+-=÷x“ aka The Mathematics Tour gleich zwei Mal Halt im Letzigrund Stadion Zürich. Trotz der über 45‘000 Zuschauer pro Show fühlt es sich fast so an, als säße man mit ihm im Wohnzimmer. Er ist dabei aber auch nicht mehr allein.
Der Plattenspieler
Wie aufregend Ed Sheeran endlich wieder live zu sehen. Nachdem er seine vierte Welttour im April im Croke Park Dublin gestartet hat, ist er endlich bei uns in Zürich. Neben seinem 2021 veröffentlichten 5. Studioalbum „=” (sprich “Equals”) bringt Ed auf dieser Tour auch eine runde Bühne mit. Wenn man von oben aus den Rängen schaut, sieht sie aus wie ein überdimensionaler Plattenspieler. Die Screens haben die Form von riesigen Gitarrenpicks.
Ich war von der runden Bühne erst nicht begeistert. Wenn man Pech hat, hat man einen blöden Platz und sieht nur Rücken. So war das auf jeden Fall damals bei U2. Pegasus Bühne im Hallenstadion war auch nicht ideal. Bei Ed Sheeran hab ich allerdings Stehplätze und so immerhin die freie Platzwahl. Dabei ist der ausschlaggebende Punkt, wo wir uns hinstellen, schliesslich die Ausrichtung der Instrumente der zweiten Vorband. Unser Platz ist perfekt!
Cat Burns eröffnet den Abend
Die Londoner Popsängerin Cat Burns eröffnet mit ihrem Song „People Pleaser“ den Abend. Die junge Sängerin behauptet von sich zwar, sie sei schüchtern, doch auf dieser riesigen Stadionbühne wirkt sie ziemlich selbstbewusst und gesprächig.
Sie sei heute besonders nervös, weil ihre Mutter und Tante im Publikum sind. Singend „tigert“ sie über die Bühne und dreht ihre Runden. Naja, vielleicht ist dieses Non-Stop-Runden-Gehen ihre Art der Unsicherheit und Nervosität. Während sie konstant den Zuschauern zurück winkt, hält sie Ausschau nach ihrer Mama und der Tante. Sie fährt dabei mit „Free“ und „Anxiety“ fort.
Ein Grossteil ihrer Lieder des heutigen Sets stammen von ihrer neusten EP „Emotionally unavailable“. Eine EP, auf der es darum geht, wie emotional unerreichbar die aktuelle Generation ist, durch das ganze Internet und Social Media, die Auswahl an Dating-Apps etc. Am Ende aber wünschen sich alle Liebe und eine Verbindung zu jemandem.Als Cat sich die Gitarre für den nächsten Song „We‘re not kids anymore“ schnappt, entdeckt sie schliesslich freudestrahlend ihre Mama und Tante.
Wie viele vor ihr startete Cat Burns ihre Musikkarriere als Straßenmusikerin. Ihre erste EP „Adolescent“ veröffentlichte sie bereits 2016. Obwohl ihr der Durchbruch bereits für 2018 vorhergesagt wurde, wurde sie erst in diesem Jahr mit ihrem Song „Go“ europaweit bekannt. Ihr kam die Pandemie dazwischen. Das Lied hatte sie nämlich bereits 2020 veröffentlicht. „Go“ platzierte sich aber lange erst in den hinteren Rängen der Brit-Charts, bevor es doch noch in die Top Ten aufstieg.
Nach „Sleep at night“, den sie Ende August veröffentlicht und „Ghosting“ schliesst sie ihren Auftritt mit „Go“ ab.
Griff nimmt einen Schritt nach dem anderen
Nach einer rund halbstündigen Pause wirbelt schliesslich Sarah Faith Griffiths aka Griff mit ihren während der Pandemie geschriebenen Songs über die Bühne. Die aktuelle, zweite EP „One Foot after the other“ hat sie 2021 veröffentlicht. Darauf sind neben den gleichnamigen Song, Lieder wie „Walk“, „Shade Of Yellow“ und „Black Hole“ zu finden.
Die aus England stammende Musikerin mit chinesischen und jamaikanischen Wurzeln wird dabei von einem Drummer und einem Keyboarder unterstützt. Sie greift aber zwischendurch sogar selbst zur Gitarre.
Griff macht definitiv heute mehr als nur einen Schritt nach dem anderen. In ihrem weissen „Kleid“, das irgendwie nach einer halben Schürze aussieht, macht auch sie so einige Runden über die Bühne. Auf ihrem Instagram Profil wird schnell klar, dass sie sich gerne außergewöhnlich und auffällig stylt. Das passt definitiv zu ihrer quirligen, mitreißenden Art. Griff bringt das Publikum sofort dazu, mitzumachen. Zugegeben, am Ende des Sets haben mir persönlich allerdings Cat Burns Songs etwas besser gefallen.
Ed Sheeran überrascht bereits zum Showstart
Ed Sheeran endlich wieder live sehen – der Wahnsinn! Da Cat Burns sowie Griff durch die Schleuse aus dem Backstage gekommen sind, warten wohl alle ungeduldig darauf, Ed Sheeran gleich durch diese Schleuse kommen zu sehen. Aber plötzlich wird vor uns der riesige runde Screen runtergelassen. Er versperrt die ganze Sicht auf die Bühne. Es tanzen kurz vor Showbeginn Schmetterlinge über die Bildschirme und ein Countdown beginnt. Das Publikum zählt runter und boom! Da steht Ed Sheeran im schwarzen T-Shirt auf der Bühne. Darauf steht in bunten Buchstaben „Zurich“. Er startet seine Show energisch mit “Tides”.
Awww, wo und wie haben sie Ed denn bitte auf die Bühne geschmuggelt? Wahrscheinlich haben sie ihn heimlich in einer der Flight cases aus dem Backstage gerollt. Wie sonst hätte er unbemerkt zur Bühne gelangen können?
Ed Sheeran tourt neu mit Band
Es geht weiter mit “Blow”, den Ed Sheeran 2019 in Zusammenarbeit mit Chris Stapelton und Bruno Mars veröffentlicht hatte. Neu auf dieser Tour: Ed Sheeran ist nicht mehr allein. Er wird von einer Band begleitet. So kriegen die Songs noch mehr „Whooms“. Man sieht die Band allerdings nicht so direkt und offensichtlich.
Die einzelnen Bandmitglieder stehen um die Bühne herum verteilt, den Blick zu Ed gerichtet. Rechts von uns steht der Bassist auf einer der Mini-Bühnen, schön mit kleinem transparentem Dach zum Schutz vorm Regen. Links sind die Gitarristen. Auf der gegenüberliegenden Seite spielen noch der Drummer und ein Keyboarder, die wir aber von unserem Platz aus gar nicht sehen können. Außerdem sind sie nicht während dem ganzen Konzert dabei.
Mit „I‘m A Mess“ und den nächsten sechs Liedern (darunter „Castle On The Hill“, „2 Step“, „Don’t“/„No Dignity“ inkl. gegen den Himmel schießenden Pyros) steht Ed Sheeran bereits wieder alleine auf der Bühne. Wie gewohnt weiss der rothaarige Brite mit seiner Gitarre, der Loopstation sowie massenhaft großartigen Liedern zu begeistern. Wie immer ist alles live und direkt eingespielt. Deshalb klinge es auch nicht immer haargenau gleich, erklärt Ed.
Von endloser Power zur Ganzkörpergänsehaut
In den kommenden zwei Stunden präsentiert Ed eine unglaubliche, energiegeladene Show mit den wunderschönsten Ganzkörper-Gänsehaut verursachenden, magischsten Momenten.
Ed jagt einerseits wie etwa bei „Shivers“, mit anscheinend endloser Energie über die runde Bühne – Runde um Runde um Runde. Unterstützt vom Rollband, das ihn automatisch um die Bühne rum bringt, wenn er einfach stehen bleibt, fällt ihm das leicht. Er lässt es auf jeden Fall so aussehen. Ed wird dabei immer mal wieder von einem Kameramann begleitet. Der hat offensichtlich auch Mühe mit Ed mitzuhalten. Wir erfahren, dass die Bilder später für eine Dokumentation genutzt werden.
Verschnaufpausen gibt es für Ed vor allem während seiner Balladen. Etwa während seines wunderschönen Über-Hits „The A Team“, bei dem er sich vom Förderband einfach um die Bühne rum tragen lässt. Der Song hat ihn damals im 2011 praktisch über Nacht bekannt gemacht. Wie das ganze Stadion Wort für Wort mitsingt, verursacht vom ersten bis zum letzten Ton Gänsehaut. Bei „Give me love“ ist es nicht anders. Das Letzigrund Stadion taucht ins Lichtermeer ein, der Publikumschor gibt dabei für Ed alles. Es stockt einem den Atem.
Das darauf folgende, wunderschöne Piano begleitete „Visiting Hours“ widmet Ed allen, die jemanden verloren haben. Während “Perfect” bricht hinter uns in den Rängen plötzlich ein riesiger Jubel aus. Da hat sich wahrscheinlich gerade jemand verlobt? Ed kriegt das anscheinend nicht mal richtig mit. Aber wie man immer wieder auf den verschiedenen Social Media Plattformen sieht, gibt es praktisch bei jedem seiner Konzerte einen Heiratsantrag. So besonders ist das also eigentlich nicht mehr. Trotzdem bleibt heute kaum ein Auge trocken. Wir sind von so vielen Gefühlen und Emotionen umgeben.
Wichtiges Treffen in Zürich
Für den Mittleren Showblock kehrt Ed’s Band zurück. Einige Songs wurden so arrangiert und produziert, dass sie mit der Loopstation allein nicht richtig funktionieren, erzählt Ed. Außerdem wollte er einfach mal etwas Neues bringeni. So speilen sie ein Medley aus „Own it, “Peru”, “Beautiful People” und „I dont care“, bevor „Overpass Graffiti“ folgt. Einer meiner Favoriten „Galway Girl“ darf ebenfalls nicht fehlen. Dabei wird Ed von Tina an der Violine unterstützt. Oh, irgendwann will ich das Lied live in Galway hören. Stellt euch die Party vor!
Den Iren verdankt Es Sheeran viel. Gleichermaßen aber wohl Zürich. Denn 2011 habe er am „Energie Stars For Free“ Snow Patrol, die irische Band rund um Songwriter und Produzent Johnny McDaid, angetroffen. Das war ein Game Changer für ihn und sorgte für einen Karrierekick. Mit Snow Patrol ging Ed Sheeran 2012 als Support auf Tour, Ausserdem hat er mit Frontmann Johnny McDaid neben anderen Songs seinen Hit, seine 10. Nummer 1, „Shape Of You“ produziert. Shape Of You hat ihn schließlich an den Pop-Olymp gebracht. Der Song ist natürlich ebenfalls Teil der heutigen Setlist, folgt aber erst zur Zugabe.
Ja, auch wer sich nicht genau mit Ed und seinen Liedern beschäftigt, kennt wohl die meisten. Er spielt 2 Stunden lang gefühlt nur Hits. Seien das seine eigenen oder solche, die er für andere geschrieben hat. So Justin Biebers „Love yourself“. Die Erzählung, wie Justin zu dem Song gekommen ist, ist pure Unterhaltung. Wie Ed das eine oder andere über seine Lieder erzählt. Wie er sich an Geschichten und Ereignisse aus der Vergangenheit mit viel Witz, Schalk und leichte Ironie erinnert, man hängt ihm einfach an den Lippen. Es macht in jeder Weise Spass ihm zuzuhören. So erzählt er etwa auch von seiner Suche nach einem neuen Hobby während einer längeren Pause. Und wie er dann feststellte, dass Musik eben sein einzig wahres Hobby sei.
Bodenständig und nahbar
Die Stimmung im Stadion ist grossartig. Die paar wenigen Regentropfen tun dem auch nichts ab und stören Ed nicht. Trotz der riesigen Menschenmasse wirkt Ed nahbar und bodenständig. Er lässt uns einmal mehr fühlen, als sässen wir mit ihm zusammen im Wohnzimmer aufm Sofa. Deshalb blutet das Herz umso mehr, als Ed nach Songs wie „Sing“, „Photograph“(ein weiterer meiner Favoriten) und schliesslich „Afterglow“ von der Bühne verschwindet. Zum Glück holt er aber nochmals einige letzte Hits hervor. Findet ihr nicht auch, dass „Bad Habits“ live besser klingt?
Im Schweizer Fussball Trikot dreht Ed nochmals energisch seine Runden über die Bühne bis er sich mit „You need me, I don‘t need you“ endgültig verabschiedet. Das mega Feuerwerk ist dabei nur (eine schöne) Nebensache.
Ed, we need you! Dich, deine Songs und deine Geschichten. Komm also bitte bald wieder zurück! So ein fantastischer Abend. Ganz viel Liebe für Ed Sheeran!
Hier gibts die komplette Bildstrecke:
Ed Sheeran im Letzigrund Stadion Zürich
Hier findet ihr weitere Informationen zu den Acts: