The Kelly Family. Wie oft wünsch ich mir, dass ich noch einmal ein Konzert der ganzen Familie sehen könnte. 2-3 Stunden Konzert mit ihren mitreissenden Popsongs, den wunderschönen Balladen, der tollen Show – ohne grosse Lichtshow, ohne grosses Tamtam. Eine Grundsetlist, die nach Belieben und je nach Situation spontan angepasst werden kann und wird. So viele einzelne, wunderbare Charakteren mit wunderschönen Stimmen, die in mind. 3-4 Sprachen singen. Generell selbstgeschriebene Songs, aber auch mal Covers und traditionelle Lieder. Bandmitglieder die untereinander kurz mal ein paar Instrumente tauschen und sich gegenseitig vertreten. Und dabei ganz tollen Humor beweisen und sich auch selber nicht immer allzu ernst nehmen. Die Kelly Family als Band gibt es so nicht mehr. Naja, offiziell haben sie sich nie getrennt, die meisten von ihnen sind heute aber solo mit eigenen Familien und Bands unterwegs. Und während ich so in der dritten Reihe beim Konzert von Jimmy Kelly sass, über die letzten gesehenen Solokonzerte der Geschwister nachdachte, wurde mir wieder bewusst, dass wir das im einzelnen eigentlich immer noch zu sehen und hören bekommen. Und dafür bin ich einfach nur unglaublich dankbar.
Mit einer Kollegin bin ich am Samstag vor einer Woche nach Rastatt gefahren, eine deutsche Stadt in Baden-Württemberg, nicht weit von Baden-Baden. Mit dem Zug ca. 4 Stunden Reiseweg. Wir wollten schon letztes Jahr zu Jimmy nach Deutschland, da er bisher nicht in die Schweiz gekommen ist. Letztes Jahr machte er aber dann Konzertpause, als wir entschieden, dass wir endlich zu nem Konzert müssen. Wir hatten einige seiner Geschwister bereits live gesehen und jetzt auf der „Streetkid“-Tour klappte es auch endlich bei ihm.
Das Konzertlokal, die Reithalle, liegt direkt am Bahnhof, somit ebenfalls nur 10min von unserem Hotel entfernt. Super praktisch also. Nach 15 Uhr war das Gelände des Konzertlokals noch total ausgestorben, auch keine Konzertankündigungen oder Plakate weit und breit zu sehen. Man hätte nicht meinen können, es fände da später ein Konzert statt. Ja, früher bei den Kellys war das anders. Leider wurde der Wind an dem Nachmittag nicht schwächer, und nach einem kurzen Spaziergang durch den Schlosspark mussten wir unsere Sightseeing-Tour wegen Sturm und Regen bereits abbrechen. Sassen dafür gemütlich in einem Cafe bevor wir vor dem Konzert nochmals ins Hotel zurückgingen.
Gegen 18.30 Uhr, eine halbe Stunde vor Türöffnung, standen dann aber einige Fans vor der Tür, versteckt unter ihren Regenschirmen, gegen den Wind ankämpfend. Alle anderen gingen unter dem Dach eines Nebengebäudes in Deckung. Vergleichsweise standen aber wenige Leute an. Es ist ein kleiner Konzertesaal mit geschätzt 200-300 Zuschauern, bestuhlt mit unnummerierten Plätzen. Wir ergattern Plätze in der 3. Reihe. Viele setzten sich sogar direkt in den hinteren, abgestuften Bereich. Ungewohnt. Das Bühnenbild bestand aus einem schwarzweissen Hintergrund einer kleinen, französischen Gasse. Eine alte Strassenlaterne tauchte die Bühne in ein warmes Licht, die Instrumente standen bereit. Im Hintergrund hörte man Klein-Angelo ins Micro krächzen „Ain’t gonna pee-pee in my bed tonight…“ – das alte Kelly Family-Album „Keep on singing“ lief. Da wurde man bereits richtig nostalgisch.
Um 20 Uhr betrat ein Mann mit Clown-Hut die Bühne, erklärte die Regeln des Abends (Fotoverbot), informierte über die Autogrammstunde nach dem Konzert und kündete Jimmy und die Band an. Ich geb zu, ich fiel vor lauter Aufregung und Vorfreude über das kommende Aufeinandertreffen mit Jimmy fast vom Stuhl. Das erste Mal nach 20 Jahren Fan sein, dass ich ihn richtig treffen würde, auch wenn nur für kurz. Wenigstens würde ein kleines, persönliches Dankeschön drin liegen und möglicherweise ein Erinnerungsfoto. Darauf hatte ich so lange gehofft. Der Mann mit dem Clown-Hut entpuppte sich dann als Kontrabassspieler der Band, Johannes. Ich hatte zwar zwei Alben von Jimmy, aber mich bisher viel zu wenig mit seinen Soloprojekten auseinander gesetzt. Hatte somit eigentlich keine Ahnung, was uns an dem Konzert erwartete.
Nachdem die Kelly Family nach dem Tod des Vaters auseinanderbrach, versuchte es Jimmy Kelly wieder mit Strassenmusik. Irgendwie musste er ja seine Frau und Kinder ernähren können, mit irgendwas neu anfangen Geld zu verdienen. Dabei versuchte er vor allem auch sich selber zu finden. Wenn man einmal ganz oben war, dann sei das nicht einfach wieder ganz unten zu beginnen. Das kratze dann doch ziemlich am Ego. Mit viel Humor, aber der notwendigen Seriosität sowie mit viel Herz bringt er auf dieser Tour dem Publikum diese Zeit auf den Strassen nun etwas näher. An diesem Abend in Rastatt erinnerte er sich zurück an die Zeiten mit seinen Geschwistern, in denen er mit ihnen durch Europa tingelte – von den Fussgängerzonen bis hin zu den grossen Stadien, mit damals 100, 200 Konzerten im Jahr. Ähnlich, wie ich das von seinen Geschwistern bereits kannte. Sie haben alle irgendwann angefangen zu erzählen – über die positiven sowie negativen Seiten. Jimmy erzählte ebenfalls von vielen lustigen, peinlichen und schönen Ereignissen der ganzen Jahre – wie er damals lebte und was sich bis heute geändert hatte. Aus seiner Sicht, wie er sich fühlte und fühlt. Ein tiefer, sehr persönlicher Einblick in sein Leben.
Natürlich erzählte er auch, wie er seine jetzige vierköpfige Band kennengelernt hatte: Roger Moreno an Akkordeon und Percussion, Johannes Vos am Kontrabass, Gitarrist Thomas sowie die Violinistin Bärbel Ehlert. Eigentlich hätte seine Frau Meike auch dabei sein sollen, aber die Pläne hatten sich mit den drei Kindern daheim, das jüngste gerade 10 Monate, etwas geändert. Die Setliste beinhaltete vor allem viele Solo-Lieder („We Got Love“, „Take My Heart“, „Hold My Hand“), Eigeninterpretationen von Songs anderer Musiker („Stand by me“, deutsche Version von „Le Moribond“) sowie Strassenmusiker- und traditionelle Lieder („Waggon wheel“, „Good Neighbour“, „Wearing Of The Green“). Darunter waren ebenfalls wenige seiner Lieder aus der Kelly Family Zeit wie „Burning Fire“ und „Nanana“ dabei. Es entstanden wunderbare Interaktionen mit dem Publikum, es wurde gelacht und ja Freudetränen, Tränen der Rührung gab es doch auch immer mal wieder. Nach so langer Zeit stand Jimmy vor mir auf dieser Bühne – so nahe, im kleinen Rahmen. Zum Anfassen nahe, so viel realer als vor etwa 15-20 Jahren an den grossen Stadionkonzerten der Kelly Family.
Die Band begeisterte mit tollen Soli. Mal stand Jimmy auch ganz alleine auf der Bühne. Er las aus seinem Buch vor, in das diverse Konzertbesucher Nachrichten und Meinungen hinterlassen hatten. Berichtete zwischen den Songs über Gespräche, die Bekannte aufgeschnappt hatten. Ein unglaublich schöner Abend. Auch nach den rund 3 Stunden Konzert (exkl. 10 -15min Pause) hätte ich ihm noch liebend gerne stundenlang zugehört. Und ihn dann nach dem Konzert noch kurz treffen zu können, war natürlich noch ganz besonders ein Highlight.
Wenn nicht auf dieser, dann werd ich auf jeden Fall spätestens bei der nächsten Tour wieder eines seiner Konzerte besuchen. Und vielleicht gibts ja irgendwann doch auch in der Schweiz noch eins.
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