Ich hätte das Konzert fast abgesagt. Mein Energielevel dümpelte an diesem Sonntag am Tiefpunkt. Das Haus verlassen? Der Gedanke allein war Stress pur. Ich habe mich dann aber doch aufgerafft und nach Zürich geschleppt, mit dem Gedanken Konzerte, Musik und Freunde zu treffen, tut gut. Und oh mann! Ich hätte es bereut, hätte ich Moncrieffs erste Schweizer Headliner Show verpasst.
Inferno der Emotionen
Moncrieffs dreiköpfige Band betrat die Bühne und die Lautstärke explodierte im kleinen, vollgepackten Zürcher Club Exil. Aber als Moncrieff selbst, der mit richtigem Namen Chris Brehiny heisst, aus dem Backstage hervor sprang und mit „What Am I Here For“ energiegeladen los legte, stockte mir doch etwas der Atem. Von allen Seiten kam explosionsartig eine unglaubliche Woge an Energie daher. Ab Sekunde 1 schien der hinterste und letzte lautstark Wort für Wort mitzusingen. Ebenso elektrisierend folgte „Ruin“. Diese Kraft und Energie zog sich durch das komplette Konzert hindurch.
Die Evolution eines Künstlers
Am 9. November 2022 habe ich zum ersten Mal von Moncrieff gehört und ihn live gesehen (lest hier) . In Zürichs The Hall war er Support Act von seinen Landsleute The Script. Damals verursachte Moncrieff schon Reihenweise Gänsehaut. Es war sofort klar, dass er etwas besonderes hatte und unbedingt wiederkommen musste. Und nun fand in Zürich am Sonntagabend das vierte Konzert seiner allerersten Headliner-Tour statt. Diese Tour umfasst 18 Shows und führt ihn durch Europa und das Vereinigte Königreich.
Moncrieff gewann im März dieses Jahres den RTÉ Choice Music Prize 2023 mit seinem Hit „Warm“ als irischer Song des Jahres. Der Singer-Songwriter aus dem irischen Waterford veröffentlichte Ende Mai zudem die EP “Highways & Hurricanes”, ein eindrucksvolles Zeugnis seiner Entwicklung, das ein intimes Klangbild eines außergewöhnlichen Musikers präsentiert. Dabei scheut Moncrieff nicht davor zurück, seine inneren Dämonen anzusprechen. Offen und ehrlich sprach der Ire im Exil über den Verlust seiner beiden Geschwister, noch bevor er sein 18. Lebensjahr erreichte. Er erklärte, wie schwer es war und welchen Einfluss es auf seine mentale Gesundheit hatte.
Moncrieff’s musikalische Reise begann im Alter von 16 Jahren, als er mit seiner Band Coversongs in Clubs spielte. Chris ist dankbar, dass er die Musik für sich entdeckt hat, besonders angesichts der hohen Selbstmordrate in Irland. Mit bewundernswerter Offenheit erzählte er von seinen Ängste und mentalen Gesundheit, während er trotz der Ernsthaftigkeit über seine traurigen Songs grinste. Mit überwältigender Energie und Leidenschaft präsentierte Moncrieff sie dem Publikum. Mit Stolz und einem Funkeln in den Augen nannte er in seinem gleichnamigen Lied die ‘9 Lessons’, die er von seinem älteren Bruder gelernt hatte.
Ungezügelte Energie, zarte Töne
Moncrieff wirbelte über die Bühne, wild und ungezügelt. Vorne in der ersten Reihe duckten sich einige, um nicht vom Mikrofonständer getroffen zu werden. Zwischendurch gab es jedoch auch ruhige Momente, wie bei seinem Song “In My Room”, den er kurz vor dem Covid-Lockdown Mitte März 2020 komponiert hatte. Moncrieff blieb zudem den Cover-Songs treu, indem er mit Avril Lavignes “I’m with you” ins Publikum sprang, seine Arme um die Fans legte und gemeinsam mit ihnen sang. Es schien, als hätte er keine Berührungsängste. Das zeigte der Musiker auch nach dem Konzert deutlich, als er jeden zur Begrüßung herzlich umarmte. Oh, dies ist einer der Gründe, warum ich die Menschen von der Grünen Insel so mag. Viele Iren haben nicht nur eine Leidenschaft für Musik, sondern sind auch offen und herzlich gegenüber jedem.
Komplette Bildstrecke: Moncrieff im Exil Zürich
Moncrieff’s Serenade fürs Wohlbefinden
Moncrieff war aufgeregt, als er verkündete, dass er in den nächsten Monaten regelmäßig neue Songs veröffentlichen wird. Die Anzahl seiner Lieder übersteigt sogar die Kapazität seines bevorstehenden Debütalbums, das im Mai erscheinen soll. Es wird eine “selfcare” Serie sein, die sich um Themen wie Selbstfürsorge und mentale Gesundheit dreht – Themen, die ihm sehr am Herzen liegen. Wichtig: Immer Positiv bleiben. Das widerspiegelt auch sein Tattoo an seinem rechten Unterarm. Ich kann es kaum erwarten, diese Songs zu hören! Noch mehr freue ich mich aber darauf, ihn hoffentlich bald wieder live zu erleben.
Ein Blick auf Charly ‚The Quiet Man‘
Vornweg als Support spielte übrigens Charly, der sich ‚Quiet Man’ nennt. Er saß allein am Piano, sein Gesicht von einem buschigen Bart umrahmt, eine Roma-Kappe auf dem Kopf, Freundschaftsbändchen am linken Arm und zahlreiche Ringe an den Fingern. Über einen Zeitraum von rund 30 Minuten lullte er uns mit seiner Musik ein, die, wie sein Künstlername vermuten lässt, ruhig und melancholisch waren.
Komplette Bildstrecke: Quiet Man in Zürich
Charly, ein Kellner aus London, erklärte uns, dass es nicht einfach sei, von seiner Musik zu leben. Daher war er umso dankbarer, mit Moncrieff auf Tour zu sein und vor einem so zahlreichen Publikum auftreten zu dürfen. Im Jahr 2018 veröffentlichte er seine Debüt-EP, die Stücke wie ‘Falling’ und ‘Save me’ beinhaltete.
Freudestrahlend erzählte er uns von seiner bevorstehenden Hochzeit im nächsten Jahr. Als Reaktion darauf präsentierte er uns das Lied ‘If I can’t love me’. Ebenso sang er über seinen Vater in ‘Butterflies’ und das mit Moncrieff geschriebene Stück ‘Friendly Fire’.
Triumph in Zürich
Moncrieffs erster Headliner-Auftritt in Zürich war ein explosives Erlebnis voller Energie und Emotionen. Zwischen ungezügelter Bühnenpräsenz und zarten, bewegenden Momenten fesselte er das Publikum mit offener Ehrlichkeit über seine persönlichen Kämpfe und beeindruckte mit neuen Songs, die bald veröffentlicht werden.
The Quiet Man’s Sympathie war ebenfalls spürbar und es war schön ihm zuzuhören. Dennoch konnte er an diesem Abend einfach nicht mit Moncrieff mithalten, der mit seiner Performance alles und noch viel mehr übertraf.
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