Konzertbericht: Rag’n’Bone Man – ein zweiter Versuch

Auch die letzten Gespräche des Publikums verstummten, als die Lichter auf der Bühne angingen und die ersten Gitarrenklänge ertönten. Mitreißend eröffnete Rory Graham, wie Rag’n’Bone Man bürgerlich heisst, zusammen mit seiner Band die Seaside Festival-Show mit dem Song „All You Ever Wanted“. Es war der Auftakt eines Konzertes vieler Emotionen und das Erwartungen übertraf.


Eine neue Chance

Wer liebt es nicht, wenn ein Konzert mit einem richtigen Kracher beginnt und einen direkt in Stimmung versetzt? Rag’n’Bone Mans Stimme erfüllte die gesamte Bucht. Der Song mit seinem energetischen Beat entsprach genau meinem Geschmack. Die melodische, leicht verzerrte Gitarre und das kurze Solo brachten zusätzliche Dynamik in das Stück. Der Mann, dessen Soul und Blues die Welt erobert hatten, stand an diesem Abend vor einem Publikum, das spürbar auf ihn gewartet hatte — etwas, das ich beim Heitere Openair in Zofingen vor zwei Jahren nicht unbedingt sagen konnte.

Ich erinnere mich an meinen ersten Live-Moment mit Rag’n’Bone Man. Der Hype um seine Musik, insbesondere um seine markante Stimme, hat mich neugierig gemacht. Jedoch hatte mich damals sein Auftritt seltsam unberührt zurückgelassen. Es hat mich einfach nicht richtig gecatcht. Okay, ich hatte den Auftritt nicht vom ersten Song an gesehen. Das Publikum wirkte damals im Vergleich zum Seaside Festival Publikum zudem ziemlich unruhig und geschwätziger. Irgendwie fehlte mir die Verbindung.  

Aber manchmal braucht es eben einen zweiten Versuch. In Spiez war das Publikum nun präsenter und bereit für den Künstler aus East Sussex. Fans standen mit Plakaten vor der Bühne, und eine fast greifbare Vorfreude lag in der Luft. Also beschloss auch ich, dem Ganzen eine neue Chance zu geben.

Mit der Powerballade „Skin“ spielte Rag’n’Bone Man einen weiteren Klassiker aus seinem Debütalbum „Human“. Der Gospel-Einfluss im Song ist eines von vielen Genres, die er in seine Musik einfließen lässt. Wusstet ihr, dass der Song von der Beziehung zwischen Jon Snow und Ygritte aus der Serie „Game of Thrones“ inspiriert wurde? Zugegeben, ich habe die Serie nie wirklich verfolgt.

Vom MC zum Platin-Sänger

Rory Charles Graham, bekannt als Rag’n’Bone Man, ist ein britischer Blues- und Soul-Sänger, der 1985 in Uckfield, East Sussex in eine musikalische Familie hineingeboren wurde. Schon als Teenager war er als MC in einer Drum-and-Bass-Crew aktiv. Die Inspiration zu seinem Künstlername Rag’n’Bone stammte aus dieser Zeit und kam durch die britische 70er Sitcom “Steptone & Son”. Ursprünglich als Rapper gestartet, gelang ihm 2016 der Durchbruch mit dem souligen Hit „Human“. 

Sein gleichnamiges Debütalbum „Human“ von 2017 wurde das am schnellsten verkaufte Debütalbum eines männlichen Künstlers des Jahrzehnts und erhielt viermal Platin. Das Album brachte ihm mehrere BRIT Awards ein, darunter für die beste britische Single.

Das zweite Studio “Life by Misadventure” folgte 2021 und wurde nicht nur erneut das schnellst verkaufte Album, sondern erreichte ebenfalls Platz 1 der Schweizer Album Hitparade. Mit mehr Pop- und Elektro-Elementen erweiterte es seinen Stil, blieb aber tiefgründig und persönlich.


Der Abend nahm eine spannende Wendung, als Rag’n’Bone Man den neuen Titel „What Do You Believe In“ vorstellte, der am 18. Oktober 2024 auf seinem gleichnamigen dritten Album erscheinen wird. Es zeigt eine spannende Weiterentwicklung seines Stils. Er sieht dieses Album als Rückkehr zu seinen musikalischen Wurzeln, verbunden mit persönlicher und emotionaler Tiefe, aber auch mit neuen Elementen.

Nur ein Mensch

Direkt im Anschluss folgte der Song „Healed“, der sich wie eine musikalische Umarmung anfühlte. Durch die starke, gefühlvolle Ballade und dem warmen, sanften Groove kam Rory’s kraftvolle Stimme noch stärker zur Geltung. Dass er eine echt tolle Stimme hat, kann keiner leugnen. Er kam auch echt sympathisch rüber.

 
„Do you feel like singing?“ fragte er und das Publikum liess sich nicht zweimal bitten. Besonders nicht, als er seinen Hit „Human“ ankündigte – das Publikum war wie erwartet ausser sich.  Doch dann stellte sich heraus, dass er sich bei der Setlist vertan hatte, was er verlegen abwinkte. Naja, auch ein Rag’n’Bone Man ist eben nur ein Mensch.

Stattdessen spielte er seine neue Single „Rush of Blood“, die kurz vor dem Seaside Festival veröffentlicht worden war. Als schließlich „Human“ an der Reihe war, überraschte Rory mit einem spontanen kurzen Rap-Part mitten im Song. Dieser Ausflug in seine Hip-Hop-Wurzeln verlieh dem Lied eine völlig neue Dynamik und riss das Publikum mit — auch ich war davon total begeistert.

Angetrieben von dieser Energie fragte Rag’n’Bone Man das Publikum: „Can I get a hell yeah?” und stürzte sich in den Song „Hell Yeah“, den er vor knapp 10 Jahren mit Vince Staples aufgenommen hatte. Die Stimmung kochte, und die Energie hielt bis zum letzten Song an. Als krönenden Abschluss gab es „Giant“, seinen Hit mit Calvin Harris, bei dem Rory noch einmal alles gab und das Publikum in seinen Bann zog.

Das neue Album

Während ich beim ersten Konzert etwas enttäuscht war, hat Rag’n’Bone Man in Spiez meine Erwartungen übertroffen. Besonders sein Rap-Part in “Human” war mein absolutes Highlight. Es brachte viel Abwechslung rein, war cool und erlangte sofort meine Aufmerksamkeit zurück.

 
Komplette Bildstrecke: Rag’n’Bone Man am Seaside Festival Spiez

Ich bin gespannt was Rag n Bone Man in Zukunft noch alles auf Lager hat.  Er wird diesen Herbst auf Tour gehen, aber leider ohne Schweizer Stopp. Aber vielleicht klappt es ja nächstes Jahr. Sein neues Album “What Do You Believe in” erscheint nun am 18. Oktober 2024. Hoffentlich mit mehr Rap Mixes. 

Alle Infos und Tourdaten findet ihr auf seiner Webseite: www.ragnboneman.com/live