Es war wieder soweit: Das viertägige “Stars Of Sounds” in Murten stand an und ich konnte zwei von vier Festivaltagen ebenfalls dabei sein. Das bedeutete erst mal einen Spaziergang durch die idyllische Murtner Altstadt mit Abstecher in die Konditorei für ein Stück leckeren Nidlechueche. Danach ging es ab auf die Pantschau, am See neue Künstler entdecken und Bekannte wiedersehen.
Am ersten Abend stand die Rocknacht mit Storace, Gotthard und den legendären Scorpions an. Normalerweise höre ich keinen Hardrock und bevorzuge Pop und melodischen Rock. Trotzdem wollte ich diese Hauptacts nicht entgehen lassen, da ich zwei von drei noch nie live gesehen hatte. Ein wenig Abwechslung und mal was neues kann schließlich nicht schaden.
Energiegeladener Auftakt mit Storace
Das Wetter heute war zum Glück soweit gut, maximal etwas bewölkt. Eröffnet wurde der Abend von Krokus-Frontmann Marc Storace mit seinem Soloprogramm. “Are you ready to stay up all night?” fragte er das Publikum und leitete den Krokus-Banger “Stayed Awake All Night” ein. Naja, das Publikum bejahte, war aber gefühlt noch nicht ganz im Mood und musste noch etwas in die Gänge kommen.
Die Show begann einige Lieder früher energievoll mit dem Titel “Live And Let Live”. Storace zeigte eine kraftvolle Bühnenpräsenz. Mit der dynamischen Setlist, die sowohl Krokus-Klassiker wie “Midnight” und “Hellraiser” als auch Songs aus seinem Solo-Repertoire beinhaltete, gelang ihm im Verlaufe des Auftritts das Publikum zum Mitsingen und Mitrocken zu animieren.
Unterstützt wurde Storace dabei von seiner vierköpfigen Band, darunter Powerfrau Bassistin Emi “Bassbabe” Meyer, die besonders herausstach. Sichtlich gut gelaunt und mit viel Spass an der Sache, lieferte sie zusammen mit dem Gitarristen Dom Favez auf der linken Bühnenseite eine tolle Show ab.
Ein halbes Jahrhundert Rockgeschichte
Unglaublich aber wahr: Nächstes Jahr feiern Krokus ihr 50-jähriges Jubiläum – ein halbes Jahrhundert Rockgeschichte! Marc Storace, geboren 1951 in Malta, trat der Band 1979 bei und verhalf Krokus zu internationalem Erfolg. Vor seiner Zeit bei Krokus war er bereits mit der Schweizer Kultband TEA erfolgreich, die sogar mit Queen und Nazareth auf Tour waren.
Krokus schaffte es 1982 als erste Schweizer Band, das Hallenstadion in Zürich auszuverkaufen. Sie erhielten eine diamantene Schallplatte für eine Million verkaufte Alben allein in der Schweiz. Marc Storace, der sogar als möglicher AC/DC-Frontmann im Gespräch war, hat mit Krokus weltweit über 2000 Shows auf fünf Kontinenten gespielt und über 15 Millionen Tonträger verkauft. Nach einem Abschiedskonzert im Dezember 2019 kehrte Krokus aber bereits im Mai 2023 auf die Bühne des Hallenstadions zurück. So kann man sie nach wie vor regelmäßig live erleben.
Neben seinen Aktivitäten mit Krokus hatte Storace viele Gastauftritte bei anderen Künstlern und Bands. 2020 nahm er zudem an der ersten Staffel von “Sing meinen Song Schweiz” teil und veröffentlichte darauf im Dezember 2021 sein erstes Soloalbum “Live And Let Live”. Im November dieses Jahres soll das nächste folgen. Das neue Album soll mit seinen ganz eigenen Sounds und neuen Klängen in eine härtere Rockrichtung gehen. Es soll eine richtige Party-Atmosphäre geben, aber auch einige ernste Songs enthalten. Gleichzeitig soll das neue Album viel Abwechslung bieten. Das Wichtigste aber, es sollte richtig rocken. Da kann man wohl gespannt sein.
Als Storace während des Konzerts seine Band vorstellte, erzählte er breit grinsend, dass sein Name in jedem Land anders ausgesprochen werde, die Aussprache aber egal sei, solange sie ihn meinten.
Im Namen des Rock’n’Rolls
Ein weiterer Höhepunkte von Storaces Auftritt war der Krokus-Hits “Rock City”, das die Menge zum Jubeln brachte. “We all need the money” zog mit Storaces signifikannter Stimme das Publikum in seinen Bann und als Hommage an den amerikanischen Unabhängigkeitstag präsentierte Storace voller Energie und Hingabe das Cover “American Woman” von The Guess Who’s.
Komplette Bildstrecke: Storace am Stars Of Sounds Murten
Schliesslich bildete “Rock n’ Roll Tonight” den Abschluss und der Sänger feuerte das Publikum an, den restlichen Abend im Namen des Rock’n’Rolls weiterzufeiern.
Festivalerinnerungen
Ich durfte schon einige Male am “Stars Of Sounds” in Murten dabei sein (lest hier). Kaum zu glauben, dass es bereits wieder ein Jahr her ist, seit wir mit Peter Maffay eine Zeitreise durch dessen Karriere machten, mit Zucchero das Dolce Vita von Murten genossen haben und Gölä’s Ufo gelandet war. Wie immer gab’s mitten auf dem Festivalgelände den Bühnenbereich, ganz hinten die VIP Zone und seitlich der Foodcorner. Das Gelände und besonders der Foodcorner schien an diesem Abend besonders gut besucht. Weil aktuell die UEFA Europameisterschaft lief, gabs natürlich eine Ecke mit grossem Screen für die Fussballfans. Bei der kleinen Nebenbühne gab es dieses Jahr zudem eine Neuerung.
Am Lagerfeuer mit Dan Mudd
Bevor die Schweizer Rockband Gotthard auf der Hauptbühne loslegte, bot sich die Gelegenheit für einen kurzen Abstecher an die neue Campfire Stage. Ja, es gibt nun auch am “Stars Of Sounds” in Murten Lagerfeuerstimmung. Beim gemütlichen Cervelats-Bärteln konnte dem italienischen Bluesmusiker Dan Mudd zugehört werden. Einige Besucher hörten einfach entspannt zu, während andere sich zum Tanzen mitreissen liessen. Die Atmosphäre war gelöst und einladend. Dan Mudd, ein Vollblutmusiker mit kratziger, markanter Stimme, hatte bereits im Alter von fünf Jahren seine erste Gitarre in der Hand und beherrscht seitdem die Kunst, mit seiner Gitarrentechnik besondere Effekte zu erzeugen.
Komplette Bildstrecke: Dan Mudd am Stars Of Sounds Murten
Von der Strasse auf die internationalen Bühnen
Angefangen hatte Dan Mudd als Straßenmusiker, doch heute tritt er auf internationalen Bühnen auf. So habe auch ich ihn erstmals auf den Straßen von Thun live erlebt. Sein Repertoire reicht von Blues über Pop und Rock bis hin zu Funk und Soul. Zusammen mit Dominik Liechti (bearbeat) gewann er etwa die Swiss Blues Challenge, was ihm die Teilnahme an der International Blues Challenge in Memphis ermöglichte. 2023 wurde Dan Mudd zum Busking Worldcup in Südkorea eingeladen und im April 2024 sicherte er sich zudem den Sieg bei der European Blues Challenge in Braga, Portugal. Auch war Dan Mudd letztes Jahr Teilnehmer der 13. Staffel von „The Voice of Germany“ und schaffte es im Team von Giovanni Zarrella bis in die Battles.
Teuflischer Witz und verzaubernder Blues
Im Trio mit Dominik (Cajon) und Rally (Keyboard) brachte Dan Mudd das Publikum in Murten etwa mit Songs wie “Devil Woman” zum Schmunzeln. Lachend erzählte er, dass seine Mutter teuflischer sei als sein Vater. Nun ja, wir kennen alle das temperamentvolle Wesen italienischer Mütter, nicht wahr? Das Lied findet man übrigens auf seinem 2020 erschienenen Debütalbum „Big Gun“. Mit seinem charmanten Auftreten und seiner Fähigkeit, das Publikum emotional mitzunehmen, beweist sich Dan Mudd als toller Musiker und Unterhalter.
Dan Mudd ist diesen Sommer auf diversen Events und Festivals anzutreffen. Wer ihn gerne live sehen möchte, dem empfehle ich aber besonders seine Headlineshow am 12. September 2024 in der Mühle Hunziken. Diese legendäre Location ist immer wieder einen Besuch wert.
Gotthard und die Kraft der 13
Gotthard-Frontmann Nic Maeder stürmte zu den ersten Takten von “Everytime I die” die Bühne: Frisch, bestens gelaunt und bereit, das Publikum auf eine musikalische Reise mitzunehmen. Es war erst mein drittes Gotthard-Konzert und das erste seit langer Zeit. Zum ersten Mal sah ich die Band 2009 noch mit dem unvergesslichen Steve Lee, der 2010 tragisch verstarb. Zuletzt erlebte ich Gotthard beim “Race for Life” in Bern, wo sie als Überraschungsband auftraten (lest meinen Bericht dazu auf meinem Blog).
Die Band, neben Nic bestehend aus Leo Leoni an der Gitarre, Marc Lynn am Bass, Ernesto Ghezzi an den Keys, Freddy Scherer ebenfalls an der Gitarre und Flavio Mezzodi am Schlagzeug, setzte mit “Feel What I Feel” einen ersten Höhepunkt des Abends. Temporeiche Gitarrensoli begeisterten die Menge und ließ keinen Zweifel daran, dass Gotthard auch nach über 30 Jahren noch voll im Saft steht.
Seit 2020 sind Gotthard mit ihrem 13. Album “13” unterwegs und gelten auch heute noch als erfolgreichste Rockband des Landes. Das abwechslungsreiche Album enthält neben den typischen Gotthard Rocktracks auch etwas experimentelle Lieder wie “Missteria”, mitgeschrieben von Status Quo Frontmann Francis Rossi, das bluesige “Another last time” oder “Rescue me”. Überraschenderweise enthält das Album sogar eine Coverballade von ABBAs “SOS”.
Nic Maeder zeigt sich derweil bereits seit 13 Jahren als würdiger Nachfolger des 2010 verstorbenen Mitbegründers Steve Lee. Mit seiner eindrucksvollen Stimme und charismatischen Ausstrahlung konnte sich der Schweiz-Australier 2011 beim Casting mit über 400 Bewerbern durchsetzen.
Gotthard verbinden Herz und Energie
Als sich Nic, Freddy und Leo auf Hocker an den Stegrand setzten, entstand mit “One Life, One Soul” einer der intimsten Momente des Abends. Die gefühlvollen Töne des Songs berührten das Publikum. Aber auch mit “Remember It’s Me” zeigte sich die Band von ihrer einfühlsamen Seite und bewiesen einmal mehr, dass sie nicht nur die kraftvollen Rocknummern beherrschen.
Mit “Starlight” kehrte die Energie aber zurück. Nic Maeder, vorne am Steg, riss das Publikum erneut mit. Ein besonders überraschender Moment war zudem, als Nic Maeder bei “Lift You Up” plötzlich von der Bühne sprang und sich Huckepack durch das Publikum tragen liess. Diese unerwartete Nähe begeisterte und sorgte für ausgelassene Stimmung.
Komplette Bildstrecke: Gotthard am Stars Of Sounds in Murten
Die Welt stand still
Eine Zugabe durfte natürlich nicht fehlen. Die Sonne ging langsam über dem Murtensee unter. Der bewölkte Himmel riss auf, und das warme Licht der letzten Sonnenstrahlen fiel während “Heaven” genau auf den Steg. Es entstand der magischste Moment des ganzen Abends. Es schien ein Gruss aus dem Himmel zu sein und die Welt stand für einen Moment still. Zum Glück konnte ich den wunderschönen Augenblick mit dem Handy einfangen:
Mit “Anytime Anywhere” wurde das Publikum jedoch rasch zurück in die Realität geholt. Nic forderte es zum Hüpfen auf. Die Energie des Abends wurde so noch einmal in einen Höhepunkt gebündelt, bevor Gotthard mit “Mighty Queen” das großartige Konzert vollendeten.
Ernüchternder Auftritt der Scorpions
Während der kurzen Umbaupause einen kurzen Spaziergang übers Gelände machen oder am See den Sonnenuntergang geniessen lohnte sich mal wieder. Murten enttäuschte nicht.
Ich war aufgeregt, denn als letzter Act standen die legendären Scorpions an. Schon als Kind hatte ich ihren Überhit “Wind Of Change” überall gehört. Wie bei anderen gesehenen, älteren Rockbands erkannte ich während des Konzert aber noch diverse andere Songs. Ich hatte einige Berichte und Reportagen über die deutsche Rockband gesehen und mir immer gesagt, dass diese Band definitiv zu denjenigen gehört, die ich einmal im Leben live sehen möchte. Vor allem solange es noch möglich ist. Schließlich schauen Frontmann Klaus Meine und seine Bandkollegen bereits auf eine fast 60-jährige Musikkarriere zurück.
Zwischen Legende und Realität
Das Lichtgewitter auf der Bühne startete. Im Hintergrund erschienen überdimensionale Bilder der Erde im All. Nach einem langen Intro kam auch Sänger Klaus Meine hinzu. Sie starteten mit “Coming Home”, einer Ballade, die sich zu einem mitreißenden Rocksong entwickelte. Da war ich erstmal überrascht und irgendwie irritiert. Dieser erste Eindruck entsprach überhaupt nicht meinen Erwartungen.
Komplette Bildstrecke: Scorpions am Stars Of Sounds in Murten
Die meisten Bandmitglieder erwiesen sich vermehrt als energisch und spielfreudig. Drummer Mikkey Dee, ehemaliger Motörhead-Schlagzeuger, legte dazwischen ein gefühlt endloses Drumsolo hin. Die Gitarristen Rudolf Schenker und Matthias Jabs flirteten neben ihren versierten Soli mit Fans und Kameras. Aber Frontmann Klaus Meine? Er wirkte nicht sonderlich fit, irgendwie energie- und emotionslos. Töne zu treffen schien eine Herausforderung zu sein. Sie sind natürlich alle nicht mehr die jüngsten. Bekannte, die die Band schon zuvor gesehen hatten, erwähnten allerdings, dass es schon länger nicht mehr ganz so toll sei, die Band live zu hören.
Eigentlich hatten die Scorpions 2010 ja ihre Abschiedstour gespielt und wollten in ihre wohlverdiente Rocker-Rente gehen. Sie hatten sich dann aber umentschieden und weitergemacht, weil zu der Zeit plötzlich viel junges Publikum dazu kam. Sie wurden dadurch angespornt weiterhin auf den Bühnen der Welt zu stehen.
Naja, auch die Rolling Stones hört wohl keiner wegen des guten Gesangs (lest den Konzertbericht hier) und jeder Mensch ist anders. Aber die Enttäuschung war da und meine Erwartungen offensichtlich zu hoch angesetzt gewesen. Ich hatte leider nicht so viel Spaß das Konzert der Scorpions zu hören. Das legendäre “Wind Of Change” konnte an diesem Eindruck auch nichts ändern.
Zwischen Begeisterung und Enttäuschung
Der erste Abend des “Stars of Sounds” in Murten startete energiegeladen mit Marc Storace und Gotthard. Besonders vom Gotthard Auftritt war ich total begeistert, während ich das Konzert der Scorpions leider eher enttäuscht verliess. Dennoch konnte es meine Stimmung nicht komplett trüben, besonders nachdem ich zufällig beim Verlassen des Geländes noch auf Gotthard Sänger Nic Maeder traf, der mir nach einem Dank für das großartige Konzert ein Selfie anbot. Klar, sagte ich da nicht nein.
Mit etwas Herzklopfen machte ich mich somit auf den Weg zum Bahnhof. Am dritten “Stars Of Sounds” Festivaltag sollte es für mich in Murten dann weitergehen. Die Vorfreude auf Silbermond und Take That am Samstag war bereits gross.
Weitere Informationen zu Festival und Bands finder ihr hier:
www.starsofsounds.ch
storace.ch
www.gotthard.com
www.the-scorpions.com
dan-mudd.ch
